Der Begriff Betriebsstätte gehört gemeinsam mit dem Begriff Ansässigkeit (Art. 4) zu den beiden zentralen Begriffen im Abkommen. Der Begriff hat Bedeutung für folgende Einkommensarten:
– Unternehmensgewinne (Art. 7)
– Dividenden (Art. 10)
– Zinsen (Art. 11)
– Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen (Art. 13)
– Selbstständige Arbeit (Art. 14)
– Unselbstständige Arbeit (Art’. 15) [Urheberrecht für diese Seite: Dr. Klaus Först, DANTAX]
– Andere Einkünfte (Art. 21)
Funktion des Begriffes: Grundsätzlich wird der gesamte Gewinn eines Betriebes in dem Land besteuert, in dem dieser ansässig (Art. 4) ist. Jedoch wird der Teil des Überschusses, der in einer ausländischen Betriebsstätte erwirtschaftet wird, im Ausland besteuert. Daher ist notwendig festzulegen, was eine Betriebsstätte ist.
Zukünftige Entwicklung: Jahrzehntelang ist der Begriff der Betriebsstätte ein Eckstein in der Verteilung des Besteuerungsrechts zwischen den Staaten gewesen. Nun jedoch bewirken jedoch neue technische Entwicklungen, dass dieser Eckstein nicht mehr fest steht. Es sind Möglichkeiten zur Manipulation entstanden, wo der Gewinn besteuert wird. Als Folge der großen Fortschritte sowohl im Transport- wie im Nachrichtenwesen können viele Dienstleistungsbetriebe willkürlich festlegen, wo eine Betriebsstätte entsteht, und damit, wo sie besteuert werden. – Eine andere Entwicklung, die mit dem Begriff Server-Betriebsstätte verbunden ist, stellt eine ernste Bedrohung für das Steueraufkommen aller Industriestaaten dar: Firmen, die IT-Leistungen erbringen (z.B. Datenbanken, Download von Filmen und Musik, Telekommunikation, Internet-Provider, elektronische Handelsagenturen und viele andere) richten die notwendige technische Ausstattung in Niedrigsteuerländern ein und umgehen damit die Steuern in den Industriestaaten.
Übersicht über Art. 5
Abs. 1: Grundregel
Abs. 2: Positivliste (wo eine Betriebsstätte vorliegt)
Abs. 3: Baubetriebsstätte
Abs. 4: Negativliste (wo keine Betriebsstätte vorliegt)
Abs. 5: Vertreterbetriebsstätte
Abs. 6: Keine Betriebsstätte durch einen unabhängigen Vertreter
Abs. 7: Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft
Abs. 1: Grundregel Die zentrale Definition in Absatz 1 umfasst drei Elemente:
(1) eine Geschäftseinrichtung
(2) die fest ist und
(3) durch welche die Tätigkeit des Unternehmens ausgeübt wird.
Sämtliche drei Elemente müssen vorliegen.
Der Begriff Geschäftseinrichtung umfasst Räume, Einrichtungen und Installationen.
Beispiele: Ein Büro; eine Werkstatt; ein Container auf einer Baustelle, der von Mitarbeitern benutzt wird; ein Stellplatz auf einem Markt; eine Ölpumpstation; umstritten: ein Server.
Die Geschäftseinrichtung muss fest sein, das heißt sie muss mit einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche verbunden sein (Schiff nein, Bohrplattform ja). Wenn die Einrichtung transportiert werden kann, aber faktisch nicht transportiert wird (mobiles Sägewerk), ist eine feste Geschäftseinrichtung gegeben. – Die Geschäftseinrichtung muss dem Betrieb für eine gewisse Zeit zur Verfügung stellen. Das kann mit Unterbrechungen sein (Stellplatz auf einem Markt). – Es ist ohne Bedeutung, auf welche Weise der Betrieb die Möglichkeit zur Nutzung erhält: Eigentum, Miete, Benutzung umsonst. Die Einrichtung kann auch in Räumen bei einem anderen Betrieb oder gemeinsam mit anderen Firmen gegeben sein (Bürogemeinschaft). Jedoch können in derartigen Fällen Beweisprobleme entstehen, ob wirklich eine feste Geschäftseinrichtung vorliegt.
Ausübung: Es ist nicht ausreichend, dass ein Betrieb eine feste Geschäftseinrichtung zur Verfügung hat; er muss sie auch benutzen. Für eine kleine Betriebsstätte ist das typische Beispiel ein Angestellter, der in einem ausländischen Büro arbeitet. Nur der Teil des Überschusses des Unternehmens, der mit dieser Ausübung im Zusammenhang steht, wird im Land der Betriebsstätte besteuert. – Die Ausübung geschieht in den meisten Fällen durch Mitarbeiter oder andere Personen, aber sie kann auch durch Maschinen geschehen (umstritten). Diese Frage ist von großer Bedeutung für die Server-Betriebsstätte: Kann ein Computer die betriebliche Tätigkeit “ausüben”?
Abs. 2: Positivliste
Dieser Liste enthält Beispiele von Einrichtungen, die die Anforderungen an eine Betriebsstätte erfüllen. Die Liste hat die Funktion, die Grundregel in Abs. 1 zu illustrieren. Die drei Voraussetzungen der Grundregel (Geschäftseinrichtung, fest, Ausübung) müssen auch in diesen Beispielen erfüllt sein. – Die Liste ist nicht abschließend.
Abs. 3: Baubetriebsstätte
Die allgemeinen Regeln für eine Betriebsstätte passen nicht für die Baubranche, da es regelmäßig an dem Merkmal, dass die Geschäftseinrichtung fest sein muss, fehlen wird: Jedes Bauvorhaben ist seiner Natur nach vorübergehend. Daher setzt das Abkommen eine Frist von 12 Monaten: Durch diejenigen Bauvorhaben im Ausland, die länger dauern, wird eine Betriebsstätte errichtet. Umgekehrt bedeutet das: Wenn ein Betrieb kurze Bauprojekte im Ausland hat, bei denen sich das eine an das andere anschließt, entsteht grundsätzlich keine Betriebsstätte.
Die Vorschrift hat allmählich an Bedeutung verloren. Erstens hat der technische Fortschritt dazu geführt, dass heute viel schneller gebaut wird. Zweitens wird die Arbeit zwischen spezialisierten Betrieben aufgeteilt, von denen jeder nur eine verhältnismäßig kurze Zeit auf der Baustelle verbringt. Und drittens gründet man heute eine ausländische Tochtergesellschaft, wenn es um große Bauvorhaben geht.
Die Bestimmung umfasst die Errichtung von Gebäuden, aber auch Weg- und Erdarbeiten sowie Montagearbeiten in der Industrie. Grundsätzlich wird jedes Bauvorhaben isoliert von den anderen beurteilt, aber wenn mehrere ökonomisch und geografisch zusammen hängen (z.B. Errichtung einer Reihenhaussiedlung) gelten sie als ein einziges Bauvorhaben. – Unterbrechungen bewirken nicht, dass die Frist von 12 Monaten aufs Neue beginnt:
Beispiel:
01.03.01 Beginn der Arbeiten
01.06.01 – 30.06.01 Unterbrechung wegen Ferien
15.12.01 – 28.02.02 Unterbrechung wegen schlechten Wetters
31.03.02 Abschluss
Es liegt eine Betriebsstätte vor, weil sich die Arbeit insgesamt über einen längeren Zeitraum als 12 Monate hingezogen hat.
Abs. 4 Negativliste
Im Gegensatz zu Positivliste in Abs. 2 enthält die Negativliste keine konkreten illustrierenden Beispiele, sondern abstrakte Regeln, welche die Grundregeln einschränken. Selbst wenn eine feste Geschäftseinrichtung vorhanden ist, durch welche die Tätigkeit des Betriebs ausgeübt wird, liegt keine Betriebsstätte vor, wenn es sich um folgende Einrichtungen handelt:
– ein Lager
– eine Ausstellung
– ein Einkaufsbüro
– ein Büro zu Informationsbeschaffung oder
– generell eine Einrichtung helfender oder vorbereitender Art.
Somit enthält Abs. 4 eine Ausnahme von der Grundregel. – Wenn man die Folgen dieser Bestimmung vermeiden möchte, kann man an Stelle einer Abteilung eine selbstständige Tochtergesellschaft im Ausland errichten und dafür sorgen, dass die Geschäftsführung dieser Tochtergesellschaft alle Beschlüsse in den Räumen der Tochtergesellschaft trifft.
Abs. 5 Vertreterbetriebsstätte
Abs. 5 ist eine versteckte Bestimmung, die in der Praxis oft übersehen wird, und zwar sowohl von den Betrieben als auch von den Steuerbehörden. Es handelt sich um eine Ausweitung der Grundregel, da eine Betriebsstätte vorliegen kann, ohne dass der Betrieb eine Geschäftseinrichtung zur Verfügung hat!
Ein Vertreter ist eine Person, die im Namen des Unternehmens Verträge im Ausland abschließt. Das kann zum Beispiel ein angestellter Verkäufer sein, welcher Abschlussvollmacht hat, oder der Geschäftsführer der Gesellschaft, der oft ins Ausland reist, wo er mit den Kunden verhandelt und Verträge abschließt. Es ist nicht notwendig, dass der Vertreter in dem betreffenden ausländischen Staat wohnt, ebenfalls nicht, dass er ein Büro zur Verfügung hat. Es ist ausreichend, dass er im Ausland umher reist und in Hotels übernachtet. Hierin liegt die Ursache dafür, dass die Bestimmung oft übersehen wird: Da keinerlei Registrierung erfolgt, ist es für die Steuerbehörden fast unmöglich, von einem solchen Vertreter Kenntnis zu erlangen.
Beispiel: Eine deutsche Gesellschaft in der Bau-Branche führte regelmäßig Bauvorhaben in Dänemark aus. Die Gesellschaft hat in Dänemark weder ein Büro noch eine andere feste Einrichtung. Die einzelnen Bauvorhaben liegen verteilt über ganz Dänemark, sie sind unabhängig voneinander, und keines dauert länger als 12 Monate. Aber der Geschäftsführer der Gesellschaft verhandelt sämtliche Verträge mit den Kunden, und zwar in Dänemark. Es liegt keine Betriebsstätte nach der Grundregel vor (keine feste Geschäftseinrichtung) und keine Baubetriebsstätte. Aber das Besteuerungsrecht in Hinsicht auf die dänischen Bauvorhaben steht Dänemark zu, da der Geschäftsführer der Gesellschaft ein Vertreter ist, welcher eine steuerliche Betriebsstätte in Dänemark allein durch seine Aktivität errichtet.
Ein unabhängiger Vertreter im Sinne von Abs. 6 ist nie Vertreter im Sinne von Abs. 5.
Ein Vertreter, welcher mit seinen Tätigkeiten unter die Negativliste des Abs. 4 fällt, ist gleichfalls nie Vertreter im Sinne von Abs. 5.
Abs. 6 Unabhängiger Vertreter
Diese Bestimmung ist nicht kompliziert. Allein dadurch, dass ein Betrieb mit einem Makler, einem Agenten, einem Kommissionär oder einem anderen Selbstständigen im Ausland Geschäfte macht, wird keine steuerliche Betriebsstätte des Betriebes errichtet.
Abs. 7 Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft
Diese Bestimmung wird als Anti-Organ-Klausel bezeichnet. Sie hat zum Inhalt, dass eine Tochtergesellschaft nicht in das Organ der Muttergesellschaft ist und deshalb nicht für sie eine Betriebsstätte errichtet. Umgekehrt ist die Muttergesellschaft nicht Betriebsstätte der Tochtergesellschaft.