Art. 10 behandelt Ausschüttungen, die eine dänische Gesellschaft an einen deutschen Gesellschafter oder eine deutsche Gesellschaft an einen dänischen Gesellschafter zahlt. Das Besteuerungsrecht wird zwischen den beiden Staaten geteilt. Die Bestimmung ist umfangreich, weil sie verschiedene Gruppen von Gesellschaftern betrifft: Ausschüttungen an eine Muttergesellschaft innerhalb einer Unternehmensgruppe (mindestens 10% bzw. 25% Gesellschaftsanteile), an eine Gesellschaft, welche weniger als 10% des Gesellschaftskapitals kontrolliert, oder an eine Privatperson.
Art. 10 behandelt dagegen nicht die Gewinne, die die Gesellschaft vorher erzielt hat. Diese werden in Deutschland der Körperschaftsteuer bzw. in Dänemark der selskabsskat unterworfen. Diese Steuern sind “definitiv”, das heißt, sie werden nicht angerechnet oder gemildert.
Übersicht
Abs. 1 Grundregel: Besteuerung im Ansässigkeitsstaat
Abs. 2: 15% Quellensteuer
Abs. 3 keine Quellensteuer für Muttergesellschaften (Schachtelprivileg) [Urheberrecht für diese Seite: Dr. Klaus Först, DANTAX]
Abs. 4 Definition Dividenden
Abs. 5 Stille Gesellschaft
Abs. 6 Betriebsstättenvorbehalt
Abs. 7 Regeln für die Steuergesetzgebung
Die Begriffe Person und Gesellschaft werden in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d, e definiert.
Abs. 1 Grundregel
Die Grundregel es einfach zu verstehen: Wenn ein in Dänemark ansässiger (Art. 4) Gesellschafter eine Dividende von einer deutschen Gesellschaft empfängt, hat Dänemark das Besteuerungsrecht. Umgekehrt besteuert Deutschland eine Dividende, die ein in Deutschland ansässiger Gesellschafter von einer dänischen Gesellschaft erhält.
Abs. 2: 15% Quellensteuer
Wie oben erwähnt teilt Art. 10 das Besteuerungsrecht zwischen beiden Staaten. Abs. 1 legt fest, dass der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hat. Aber Abs. 2 räumt dem Quellenstaat das Recht ein, die Dividenden mit einer Quellensteuer von bis zu 15% zu belasten.
Beide Staaten haben derzeit (2002/2003) eine derartige Quellensteuer. Die dänische udbytteskat hat eine Höhe von 28%. Dieser Satz muss auch von einem deutschen Gesellschafter bezahlt werden. Gemäß Abs. 2 erstattet Dänemark jedoch 13%.
Die deutsche Kapitalertragsteuer hat eine Höhe von 25%. Sie muss auch auf Dividenden an einen in Dänemark ansässigen Gesellschafter gezahlt werden. Er erhält jedoch eine Erstattung von 10% vom Bundesamt für Finanzen in Bonn.
Dies gilt aber nur für Einzelpersonen sowie für Gesellschaften, welche weniger als 10% des Gesellschaftskapitals kontrollieren (“Streubesitz”, siehe unten Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 Buchst. a S. 3)
Beispiel A: Ein privater Investor aus Dänemark hält Volkswagen-Aktien. Er bezieht eine Dividende in Höhe von 1000 EUR. In Deutschland sind zwar 250 EUR Quellensteuer zu zahlen. Er kann in Deutschland aber die Erstattung von 100 EUR beantragen. Damit verbleibt eine Belastung mit deutscher Quellensteuer von 150 EURO. – Dänemark hat das Besteuerungsrecht. Die Dividende fällt in die Kategorie “aktieindkomst” und wird nach den normalen dänischen Regeln besteuert. Dänemark rechnet jedoch die in Deutschland gezahlte Quellensteuer von 150 EUR an (Art. 24 Abs. 2 Buchstabe a aa).
Beispiel B: Ein privater Investor aus Deutschland hält Carlsberg-Aktien. Er bezieht eine Dividende von 1000 EUR. In Dänemark sind 280 EUR Quellensteuer zu zahlen. Der Investor kann die Erstattung von 130 EURO beantragen. Damit verbleibt eine Belastung mit dänischer Quellensteuer von 150 EURO. – Deutschland hat das Besteuerungsrecht. Die Dividende zählt zu den Einkünften aus Kapitalvermögen und wird nach den gewöhnlichen deutschen Regeln besteuert. Deutschland rechnet jedoch die in Dänemark gezahlte Quellensteuer in Höhe von 150 EUR an (Art. 24 Abs. 1 Buchst. b aa).
Abs. 3 Keine Quellensteuer für Muttergesellschaften
Es gibt zwei besondere Regeln für Muttergesellschaften, die mindestens 10% beziehungsweise 25% des Gesellschaftskapitals kontrollieren.
Abs. 3 S. 1: Eine Muttergesellschaft, die mindestens 10% des Gesellschaftskapitals besitzt, darf nur mit maximal 5% Quellensteuer belastet werden.
Abs. 3 S. 2: Eine Muttergesellschaft, die mindestens 25% des Gesellschaftskapitals besitzt, darf überhaupt nicht mit Quellensteuer belastet werden. Dies ist das Ergebnis der europarechtlichen Mutter-Tochter-Richtlinie.
Beispiel: Eine dänische A/S errichtet eine deutsche GmbH als 100%-Tochtergesellschaft. Die GmbH hat in einem bestimmten Jahr einen Gewinn von 100.000 EUR. Dieser Gewinn wird mit den gewöhnlichen deutschen Steuern belastet (Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuer; insgesamt ca. 38.000 EUR). Eine Dividende an die dänische Muttergesellschaft wird nicht mit einer weiteren Quellensteuer in Deutschland belastet. Außerdem ist diese Dividende in Dänemark steuerfrei (Art. 24 Abs. 2 Buchst. 10).
Ziel dieser Regelung ist, Investitionen in ausländische Tochtergesellschaften zu fördern. Wenn man eine solche Gesellschaft errichtet, werden deren Gewinne ebenso wie die aller anderen Gesellschaften in dem betreffenden Land besteuert. Weder in Dänemark noch in Deutschland kommt es darüber hinaus zu einer zusätzlichen Steuerbelastung.
Abs. 4 Definition Dividenden
Es gibt verschiedene andere Formen von Kapitalertrag, die den Dividenden auf Aktien und den Ausschüttungen auf GmbH-Anteile gleichgestellt werden. In diesem Kommentar wird jedoch davon abgesehen, die einzelnen Formen zu erörtern. Teilweise handelt es sich um exotische Investment-Formen, teilweise erfordern sie eine tief greifende Erörterung der zivilrechtlichen Grundlagen.
Generell muss man vorsichtig damit sein, bei Investitionen im Ausland Gestaltungen zu wählen, die nicht in beiden Ländern bekannt sind. Für einen Dänen ist es zum Beispiel ohne weiteres möglich, in Deutschland in eine GmbH & Still oder in der Form eines partiarischen Darlehens zu investieren. In der internen nationalen Veranlagung wenden die dänischen Steuerbehörden jedoch ausschließlich dänisches Recht an (und die deutschen ausschließlich deutsches Recht). Daher kann man nicht sicher sein, dass eine ausländische Rechtsform im Heimatland auf die gleiche Weise behandelt wird. Im Ergebnis kann es zu steuerlicher Unsicherheit und beträchtlichen Beratungskosten kommen. Gute Beratung im internationalen Steuersachen setzt voraus, dass die juristischen Konstruktionen auf beiden Seiten der Grenze verständlich bleiben.
Abs. 5 Stille Gesellschaft etc.
Es gibt Investment-Formen, bei denen der Kapitalertrag auf Seiten des Schuldners als Betriebsausgabe abgezogen werden kann, ohne dass es sich um Zinsen im Sinne von Art. 11 handelt:
Ein Investor erwirbt einen Anteil an einer deutschen Einzelfirma, ohne dass dies im Handelsregister eingetragen wird (Stille Gesellschaft). Er leistet eine Einlage von 100.000 EUR. Als Gegenleistung erhält er 20% des jährlichen Gewinns. – Diesen Betrag kann der Einzelunternehmer bei der Ermittlung seines zu versteuernden Einkommens als Betriebsausgabe abziehen.
Abs. 5 legt fest, dass die Quellensteuer 25% beträgt (= Ausnahme zu Abs. 2 und 3). Damit wird ausgeglichen, dass der Quellenstaat weniger Steuer vom Schuldner des Kapitalertrags erhält.
Abs. 6 Betriebsstättenvorbehalt
Eine deutsche Aktiengesellschaft hält 50 Prozent der Gesellschaftsanteile an einer dänischen ApS. Außerdem hat die Aktiengesellschaft eine dänische Abteilung. Die ApS-Anteile werden in der dänischen Abteilung als Anlagevermögen geführt; Ausschüttungen von der ApS werden in der Abteilung als Ertrag gebucht.
Abs. 6 legt fest, dass eine solche Ausschüttung nach Art. 7 behandelt wird, das heißt derjenige Staat hat das Besteuerungsrecht, in dem die Abteilung liegt.
Abs. 7 Regeln für die Steuergesetzgebung
Abs. 7 hat für die tägliche Praxis keine Bedeutung, da hier Regelungen enthalten sind, welche die dänische und die deutsche Steuergesetzgebung einhalten müssen. Der Absatz entspricht wörtlich Art. 10 Absatz 5 des OECD-Musterabkommens; dieser Artikel wurde in die meisten Doppelbesteuerungsabkommen übertragen.