DBA-Wortlaut

(1)   Wenn
a) ein Unternehmen eines Vertragsstaats unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats beteiligt ist oder
b) dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens eines Vertragsstaats und eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats beteiligt sind
und in diesen Fällen die beiden Unternehmen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, so dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden.

(2)   Werden in einem Vertragsstaat den Gewinnen eines Unternehmens dieses Staates Gewinne zugerechnet, und entsprechend besteuert, mit denen ein Unternehmen des anderen Vertragsstaats in diesem Staat besteuert worden ist, und handelt es sich mit Einverständnis des anderen Vertragsstaats bei den zugerechneten Gewinnen um solche, die das Unternehmen des erstgenannten Staates erzielt hätte, wenn die zwischen den beiden Unternehmen vereinbarten Bedingungen die gleichen gewesen wären, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, so nimmt der andere Staat eine entsprechende Änderung der dort von diesen Gewinnen erhobenen Steuer vor, soweit dies zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erforderlich ist. Bei dieser Änderung sind die übrigen Bestimmungen dieses Abkommens zu berücksichtigen; erforderlichenfalls werden die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten einander konsultieren.

Kommentar

Art. 9 ist die Bestimmung im Abkommen, die die größte wirtschaftliche Bedeutung hat. Es gibt viele Streitverfahren zwischen Gesellschaften und den Finanzbehörden, wo um mehrere 100.000 EUR oder um Millionenbeträge verhandelt wird. Gesellschaften in internationalen Konzernen haben zahllose Möglichkeiten zu steuern, in welchem Land ein steuerpflichtiger Gewinn entsteht. Art. 9 soll dagegen sicherstellen, dass ein Gewinn in dem Land besteuert wird, in dem er auch entstanden ist. Daher enthält Art. 9 Regeln, zu welchen Preisen und Bedingungen Konzerngesellschaften miteinander Handel treiben dürfen.

Übersicht
Abs. 1 Grundregel: Besteuerung nach den Verrechnungspreisen, wie sie zwischen fremden Gesellschaften gelten würden.
Abs. 2 Verfahren: Vermeidung der Doppelbesteuerung

Absatz 1 Grundregel
Beispiel: Eine dänische Gesellschaft, die Möbel produziert, hat eine deutsche Tochtergesellschaft, die diese Möbel an deutsche Möbelhändler weiterverkauft. Ein Teil der Produktion wird an der Tochtergesellschaft vorbei an andere deutsche Großhändler verkauft. Die Preise für diese Lieferungen liegen 20% auf unter den Preisen, die die deutsche Tochtergesellschaft bezahlt. Daher erzielt diese keinen Gewinn. – Gemäß Abs. 1 sind die deutschen Steuerbehörden berechtigt, das steuerliche Ergebnis der deutschen Gesellschaft um 20% des Wareneinsatzes zu erhöhen. (Copyright : Dr. Klaus Först)

In diesem Beispiel sind beide Voraussetzungen für eine Korrektur der steuerlichen Ergebnis ist erfüllt: Es handelt sich um verbundene Unternehmen, und sie haben abweichende Geschäftsbedingungen vereinbart.

Verbundenen Unternehmen
Die Definition ist sehr weit und umfasst

  •  Beteiligung an der Leitung
  • Beteiligung an der Kontrolle (etwa über Verträge)
  • Beteiligung am Kapital
  • direkte Personenidentität in der Geschäftsleitung
  • indirekte Personenidentität in der Geschäftsleitung (z.B. der Geschäftsführer der einen Gesellschaft ist Geschäftsführer der Muttergesellschaft der anderen Gesellschaft)
  • direkte Personenidentität in der Kontrolle
  • indirekte Personenidentität in der Kontrolle
  • direkte Personenidentität bei der Kapitalbeteiligung 
  • indirekte Personenidentität bei der Kapitalbeteiligung

Grob gesprochen umfasst der Begriff umfasst alle Formen von Zusammenarbeit, die über das Verhältnis von Lieferant und Kunde hinausgehen.

Abweichende Bedingungen 1979 wurde der “OECD-Report on Transfer Pricing in Multinational Enterprises” veröffentlicht. 1983 wurde der größte Teil dieses Berichts in einen deutschen Erlass aufgenommen (“Verwaltungsgrundsätze”, deutscher Wortlaut). Obwohl diese Regeln derzeit (2002/2003) überarbeitet werden, können sie nach wie vor als Richtschnur verwendet werden, wie Verrechnungsverhältnisse zwischen beteiligten Gesellschaften organisiert werden können.

Dieser online-Kommentar hat allgemein zum Ziel, eine Übersicht über Probleme zu geben. Das gilt in höchstem Maße für Art. 9. Es gibt Bücher (unter anderem von Vögele), die das Thema auf mehr als 1000 Seiten abhandeln.

Es gilt, folgende zwei Problemgebiete im Auge zu behalten: Formell müssen rechtswirksame Verträge vorlegen. Und materiell muss das Arm’s-Length-Prinzip gewahrt sein.

Formelle Probleme Wirtschaftliche Verhältnisse zwischen verbundenen Unternehmen müssen auf Verträgen beruhen, die

  • schriftlich abgeschlossen werden,
  • im Voraus abgeschlossen werden,
  • die von Personen unterschrieben werden, welche zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Vertretungsmacht für die Gesellschaft haben, und
  • die exakt nach dem Wortlaut der Vereinbarung durchgeführt werden (es ist ein typischer Fehler zwischen Konzerngesellschaften, dass Vereinbarungen formell korrekt abgeschlossen, aber nicht oder nicht exakt eingehalten werden).

In beiden Ländern gibt es Regelwerke für die Dokumentationspflichten (Deutschland: VO zu § 90 Abs. 3 AO). In Deutschland werden bei deren Nichtbeachtung Steuerzuschläge erhoben, auch wenn es nicht zur Festsetzung eines höheren Einkommens kommt.

Materielle Probleme Nur folgenden drei Methoden für eine Preiskalkulation werden sowohl in Dänemark als auch in Deutschland anerkannt:

  • comparable uncontrolled price method (wie hoch ist der Marktpreis zwischen oder mit fremden Unternehmen?)
  • resale price method (Ausgangspunkt ist der Preis, den eines der verbundenen Unternehmen auf dem Markt im Verkauf erzielt; dieser Preis wird um eine angemessene Handelsspanne verringert)
  • cost plus method (die internen Kosten werden um einen angemessenen Zuschlag erhöht)
  • Bei Warenlieferungen zwischen verbundenen Unternehmen darf nur ein Preis für die Ware selbst entrichtet werden. Unzulässig ist, darüber hinaus einen Preis für immaterielle gewerbliche Schutzrechte zu zahlen (Patent, Marke usw.) Beispiel: Neben einem angemessenen Kaufpreis bezahlt eine Schwestergesellschaft eine laufende “Lizenzgebühr” für ein Geschäftsgeheimnis, welches im Zusammenhang mit der Produktion der gekauften Ware steht. – Das ist nicht zulässig.

Weitere typische Problembereiche:

  • Kredite müssen zu Marktbedingungen verzinst werden.
  • Ein wichtiges Gebiet sind “management fees”, Beispiel: Eine Tochtergesellschaft bezahlt laufende feste Raten für eine Reihe von Arbeiten, welche die Muttergesellschaft für sie ausführt: Fakturierung, Buchhaltung, Werbung, Personal Bestellung. Das ist zulässig. Es müssen jedoch folgende Bedingungen beachtet werden: Das Entgelt für diese Leistungen muss nach der cost plus method errechnet werden. Die Tochtergesellschaft muss ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Einkauf dieser Dienstleistungen haben. Diese Leistungen dürfen nicht teurer sein als entsprechende Dienste, welche die Tochtergesellschaft bei fremden Unternehmen einkaufen könnte (z.B. bei einer unabhängigen Werbeagentur). Es darf sich nicht um Dienste handeln, welche ihre Ursache im Beteiligungsverhältnis zwischen den beiden Gesellschaften hat: Leistungen im Zusammenhang mit der Leitung und dem Controlling eines Konzerns etwa.

Abs. 2 Vermeidung der Doppelbesteuerung
Der komplizierte Wortlaut dieser Bestimmung kann am besten mit einem Beispiel verständlich gemacht werden:

Eine dänische Muttergesellschaft bezieht von ihrer deutschen Tochtergesellschaft einen jährlichen pauschalen “Verwaltungskostenbeitrag” in Höhe von 150.000 EUR, obwohl nennenswerte Verwaltungsleistungen nicht in nachweisbarer Form erbracht werden. In einer steuerlichen Betriebsprüfung erhöht das Finanzamt das Betriebsergebnis der Gesellschaft um 150. 000 EUR in den betreffenden Jahren. Gemäß Abs. 2 können die Gesellschaften entweder beantragen, dass das steuerliche Ergebnis der dänischen Gesellschaft um diesen Betrag reduziert wird, oder dass eine Verständigungsvereinbarung gemäß Art. 43 zwischen Deutschland und Dänemark herbeigeführt wird, nach welcher die Doppelbesteuerung auf andere Weise vermieden wird.

Diese Bestimmung ist jedoch ein gutes Beispiel dafür, wie unvollständig der Rechtsschutz der beteiligten Betriebe immer noch ist. Es gibt zwei Hauptschwierigkeiten:

Zum einen kann sich das Verfahren über viele Jahre hinziehen: Insbesondere in Deutschland kann es bis zu 10 Jahre (!) dauern, bevor die Doppelbesteuerung ausgeglichen wird. In dieser Zeit sind die Betriebe mit einer (vorläufigen) Doppelbesteuerung belastet – eine unter Umständen katastrophale Verringerung der Liquidität.

Zum anderen müssen Deutschland und Dänemark “Einverständnis” über die steuerliche Behandlung des Sachverhalts erzielen. Es kann jedoch eine Situation entstehen, in der beide Länder an der Besteuerung “ihrer” Gesellschaft festhalten wollen, weil die dänischen und deutschen Steuerregeln voneinander abweichen. – In einer solchen Situation hilft die EU-Schiedskonvention von 1990 (Wortlaut). Nach dieser haben die Parteien einen Rechtsanspruch darauf, dass die Doppelbesteuerung ausgeglichen wird.

Das Beste ist jedoch, solche Konflikte von vornherein zu vermeiden. Man sollte in unförmlichen Gesprächen mit beiden Finanzverwaltungen oder durch verbindliche Auskünfte darauf hinarbeiten, dass schon während der Laufzeit der Verträge Richtssicherheit geschaffen wird. In den USA wird dies durch APA’s (advanced pricing agreements) bewerkstelligt. Die Europäische Union arbeitet daran, vergleichbare rechtliche Strukturen auch in Europa zu schaffen.